2. Ausgangspunkt

Um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen ist die Lektüre des Briefverkehrs mit den jeweiligen Gerichten, Amtsgericht, Landgericht sinnvoll. Im Rahmen dieser Studie, die eher auf sytemisch / wirtschaftliche Zusammenhänge abstellt, ist eine Detailkenntnis des Vorgangs nicht nötig. Wir kommen hierauf erst unter Punkt sieben zurück.
Der Vorfall an sich dient ledigich der Illustrierung eines systemischen Problems. Der Briefverkehr diente dazu, den Sachverhalt knapp darzustellen. Das Landgericht hat nicht geantwortet. De facto gab es wohl auch nicht viel, was man hätte antworten können.

Der Vorfall an sich dient ledigich der Illustrierung eines systemischen Problems.

Wie bereits im Vorwort beschrieben, ist der Ausgangspunkt unserer Untersuchung ein Verfahren, in welches wir selber als Beklagte involviert waren. Wie ebenfalls im Vorwort geschildert, geht es uns nicht mehr um das Urheberrecht selbst, zumal dieses Thema in Tausenden von Foren aus allen nur erdenklichen Blickwinkeln beleuchtet wird. Zentraler sind für uns diese Fragen.

  1. Wer kontrolliert die Justiz?
  2. Wie anfällig ist die Justiz für Missbrauch?
  3. Wie beurteilt die Justiz, bzw. das dort angestellte Personal seine persönliche Integrität?
  4. Wie lässt sich das System kontrollieren?
  5. Inwieweit finden wir in der Justiz Verhaltensweisen, die wir aus anderen Bereichen, etwa dem deutschen Philologenverband, kennen?

Die Relevanz dieser Fragen wird erst deutlich, wenn man ein Beispiel hat, das eben diese Relevanz illustriert. Einer Kontrolle unterliegt die Justiz, dies zeigt dieses Verfahren, offensichtlich nicht. Wir kommen darauf zurück, siehe 7.4 Urteil.

Eigentlich sollte es eine "Bindung an das Gesetz" geben. Allerdings geht Justitia davon aus,

dass sowohl die rechtsfehlerhafte Anwendung einer gesetzlichen Bestimmung (hier § 32 Urhg, der regelt die Vergütung, wenn ein Vertrag zwischen Urheber und Verwerter zwar vorliegt, aber der Urheber übervorteilt wurde, ein Fall, der hier nicht vorliegt, was aber für die Anwendung dieser Bestimmung nicht hinderlich war),

wie auch die Ignorierung eines gesetzlichen Bestimmung (hier § 51 Urhg, eine Vorgang kann nur subjektiv bewertet werden, wenn er bekannt ist),

wie auch die subjektive Bewertung (hier § 97 UrhG, Höhe des sich aus der Lizenzanalogie ergebende Honorar) einen subjektiven Bewertungsspielraum lässt.

Vereinfacht gesagt: Wenn schlicht alles durch den subjektiven Bewertungsspielraum des Richters gedeckt ist, wird die Bindung an das Gesetz aufgelöst.

Es stellt sich dann die Frage, wer die Justiz eigentlich überhaupt kontrolliert. Da sich in der Gesetzgebung eine ganze Menge Gesetze verstecken mit gewaltigem subjektivem Bewertungsspielraum, haben wir einige tickende Zeitbomben. Der subjektive Bewertungsspielraum lädt natürlich geradezu zum Missbrauch ein. Die absurden Streitwerte, für den gleichen Sachverhalt können ohne weiteres, wie hier, Beträge zwischen 2000 Euro und 13000 Euro im Raum stehen, eröffnen ein großes Spielfeld für lukrative Geschäftskonzepte.

Dass sich solche Streitwerte eingependelt haben, liegt wohl mit an der Tatsache, dass sowohl der Rechtsanwalt des Klägers wie auch der Rechtsanwalt des Beklagten kein Interesse daran haben, einen überhöhten Streitwert anzufechten, denn der Streitwert ist die Basis für die Berechnung der Honorare. Der Richter selbst profitiert von einem hohen Streitwert zwar nicht unmittelbar, aber für das Gericht ist ein hoher Streitwert natürlich trotzdem interessant, denn dieser erhöht die Einnahmen. Wir haben also ein System, das letztlich allein auf der persönlichen Integrität des Richters beruht, ein Tatbestand, bei dem jedem Wirtschaftswissenschaftler die Haare zu Berge stehen. Würde gesamtwirtschaftlich ein fester Lohn bezahlt und die Leistungserbringung hinge von der persönlichen Integrität der Akteure ab, würde die Wirtschaft der BRD morgen komplett auf breitester Front zusammenbrechen.

Wir haben also im Justizsystem erstmal das Maximum an Systemwidrigkeit. Die freie Marktwirtschaft, also das System, das wir zumindest als Ideal nun in allen westlichen Demokratien haben, ist die schärfst mögliche Kontrolle. Unternehmen, die zu einem gegebenen Marktpreis nicht anbieten können, die sich also an objektiv vorgegebene Verhältnisse nicht anpassen können, scheiden aus. Der Marktpreis schlägt natürlich auch durch auf die internen Verhältnisse des Unternehmens. Ein Unternehmen muss sich auch intern so aufstellen, dass es mit den objektiven Gegebenheiten klar kommt. Das ist so ziemlich das Gegenteil zu der subjektiven Wahrnehmung der Verhältnisse, die im Justizwesen vorherrscht.

Es gibt einige Bereiche, etwa Bildung, Forschung und Entwicklung, Sozialleistungen, die, anders als Hayek und Friedman sich das vorstellen, nicht über Marktmechanismen gesteuert werden können, dazu gehört auch das Justizwesen. Das kann aber nicht bedeuten, dass schlicht, wie im Justizwesen, gar keine Steuerung mehr stattfindet. Wir werden hier auf die gesamte Problematik nicht eingehen. Wer sich für solche Zusammenhänge interessiert, sei auf die www.economics-reloades.de verwiesen. Insbesondere werden wir hier nicht über prinzipielles Marktversagen reden, wie es von Keynes beschrieben wird. Keynes hat zwar Recht, aber das ist eine andere Baustelle. Keynes bezweifelt nicht die generelle Überlegenheit marktwirtschaftlicher Ordnungen bei der Optimierung der Faktorallokation. Keynes bezweifelt aber, und offensichtlich zu Recht, wie wir gegenwärtig sehen, die Gültigkeit des Sayschen Theorems. Der Zins ist nicht der Preis für aufgeschobenen Konsum. Der Zins ist der Preis für Liquidität.

Die Frage, die sich nun jeder stellt, ist klar. Reicht ein einziges Verfahren, um Rückschlüsse auf das Gesamtsystem zu ziehen? Die Antwort ist natürlich genau so klar: Natürlich nicht, hat ja auch nie jemand behauptet. Allerdings kann auch ein einzelnes Versagen Rückschlüsse auf systemisches Versagen sein, wenn dieses Versagen gewaltig ist. Ein Bäcker, der knallharte Brötchen, verschimmeltes Brot und eingetrocknete Pflaumenkuchen verkauft und dabei glänzend lebt, lässt schon Rückschlüsse auf das System zu. Kaum vorstellbar, dass er in einem funktionierenden Wettbewerb überleben würde. Im Übrigen war der Autor längere Zeit im Controlling der öffentlichen Verwaltung beschäftigt. Es reicht ohne weiteres, EINE Bürokratie zu kennen, um sich vorzustellen, was in allen anderen passiert. Organisationen ohne klare Zielvorgaben sind nicht kontrollierbar. Das wurde inzwischen auch von der Politik erfasst. Vor etwa 20 Jahren hat man damit begonnen, auch in der öffentlichen Verwaltung professionelle Kosten- und Leistungsrechnungssysteme einzuführen. Auch im Bereich Justiz, wenn auch hier später. Die Entwicklung begann hier wohl im Jahre 2002. Aus langer Erfahrung wundert sich der Autor auch nicht darüber, dass die Richter hier Widerstand leisten. Wir kommen darauf zurück. Das Phänomen kennt der Autor.

Wir wollen aber gar nicht bestreiten, dass ein einzelnes Verfahren zur Evaluation des Gesamtsystems nicht ausreicht. Wollen wir aber das System in seiner Gesamtheit analysieren, stoßen wir auf dasselbe Problem, auf das wir auch bei der Analyse volkswirtschaftlicher Zusammenhänge stoßen. Es wird jetzt ein bisschen kompliziert. Wir diskutieren die Fragestellung ausführlich in www.economics-reloaded.de.

Wirtschaftswissenschaftliche Analysen sind immer rein systemisch. Jeder wirtschaftswissenschaftliche Text egal zu welchem Thema analysiert systemisch. Simple Aussagen vom Typ, "der Polypolist dehnt sein Angebot solange aus, bis die Grenzkosten dem Marktpreis entsprechen" oder "der Zins ist der Preis für Sicherheit, nicht für aufgeschobenen Konsum" sind systemische Aussagen. Veränderungen bestimmter Parameter führen zu einem bestimmten Verhalten. Hat man im Hinterkopf, dass dieser Ansatz Grenzen hat, ist er sinnvoll. Systemisch lässt sich natürlich auch das Justizwesen analysieren und steuern. Sowohl das operative wie das strategische Controlling sind systemische Ansätze. Man versucht Kennziffern zu generieren, an denen Leistung gemessen werden kann und die dann unmittelbar eine Lenkungsfunktion ausüben, zum Beispiel die, dass man sich von Personal, das einen bestimmten Mindeststandard an Leistung nicht erbringt, trennt. Das Problem fängt dann an, wir analysieren das in www.economics-reloaded.de ausführlich, wenn das über Marktmechanismen systemisch zu Regelnde, dies tun Hayek und Friedman, soweit ausgedehnt wird, dass es nichts mehr gibt, was über demokratische Entscheidungsprozesse zu klären wäre bzw. alles, was über demokratische Entscheidungsprozesse zu klären wäre, als obsolet bezeichnet wird.

Heißt auf Deutsch: Das Bildungssystem kann man nur bei Milton Friedman marktwirtschaftlich organisieren. In dem Moment, in dem über Inhalte von Bildung diskutiert wird, versagt der Marktmechanismus. Wenn wir aber ein System nicht systemisch steuern können, sind wir auf die Kompetenz, moralische Integrität und Engagement der handelnden Individuen angewiesen.

Die Qualität demokratischer Entscheidungsprozesse hängt von den Individuen ab. Da sich bestimmte Organisationen nicht systemisch steuern lassen, ist für das Justizwesen gleich in doppelter Hinsicht bedeutsam. Zum einen wäre eine Kontrolle von Urteilen durch eine qualifizierte Öffentlichkeit äußerst sinnvoll. Eigentlich (!) hat das Bundesverwaltungsgericht auch schon 1996 festgeschrieben, dass Urteile zu veröffentlichen sind. Also nicht veröffentlicht werden KÖNNEN sondern veröffentlich werden MÜSSEN. (Zu veröffentlichen sind...)

BVerwG · Urteil vom 26. Februar 1997 · Az. 6 C 3.96
1. Die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen ist eine öffentliche Aufgabe. Es handelt sich um eine verfassungsunmittelbare Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt und damit eines jeden Gerichts. Zu veröffentlichen sind alle Entscheidungen, an deren Veröffentlichung die Öffentlichkeit ein Interesse hat oder haben kann. Veröffentlichungswürdige Entscheidungen sind durch Anonymisierung bzw. Neutralisierung für die Herausgabe an die Öffentlichkeit vorzubereiten.

2. Die anschließende Veröffentlichung als solche muß nicht durch die Gerichte selbst geschehen, sondern kann durch Organisationsakt auch der privaten Initiative Interessierter einschließlich der beteiligten Richter überlassen werden.

3. Bei der Herausgabe von Gerichtsentscheidungen zu Zwecken der Veröffentlichung obliegt den Gerichten eine Neutralitätspflicht. Ihr entspricht ein Anspruch der Verleger von Fachzeitschriften wie auch von sonstigen Publikationsorganen auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb.

4. Die Übersendung von Gerichtsentscheidungen an Dauerbezieher muss möglichst gleichzeitig erfolgen. Die Herausgabe an Private einschließlich der privat tätigen Richter darf nicht so organisiert werden, dass bestimmte Verlage einen Wettbewerbsvorsprung erlangen können.

5. Bei der Herausgabe darf nicht nach dem wissenschaftlichen Niveau der zu beliefernden Presseorgane unterschieden werden (Änderung der Rechtsprechung; vgl. Beschluss vom 1. Dezember 1992 - BVerwG 7 B 170.92 - Buchholz 11 Art. 3 GG Nr. 378

aus: http://openjur.de

Verbunden mit starken Suchalgorithmen, die ja google ohnehin liefert, ließen sich so leicht Strukturen erkennen, was durchaus zu einer Disziplinierung der Rechtssprechung beitragen könnte. Es könnte so ein Problem gelöst werden, das Jutta Limbach, ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, so beschreibt [im Zusammenhang mit dem Deckert-Urteil]

Die Unabhängigkeit der Richter scheint von der Öffentlichkeit eher als Einfallstor für subjektive Wertungen denn als ein Justizgrundrecht wahrgenommen zu werden, das dem Volke, der Bürgerinnen und Bürgern diene.

aus: Jutta Limbach, Im Namen des Volkes, Macht und Verantwortung der Richter, Stuttgart, 1999, Seite 91

Den weiteren Ausführungen von Jutta Limbach können wir nicht so recht folgen, weil sie Konfliktfelder durch ein "Umdenken" oder eine "Sensibilisierung" der Richter lösen will. Wirtschaftswissenschaftler vertrauen nun mal eben eher auf systemische Lösungen, auch wenn wir erkennen, dass dies nicht immer möglich ist. Das Horrorszenario für Wirtschaftswissenschaftler sind Systeme, die ihre ganze Hoffnung in die moralische Integrität der handelnden Akteure setzen.

Wir werden später darauf zurückkommen. Der Autor geht im übrigen davon aus, dass Urteile im Namen des Volkes durchaus auch in dem Sinne vom Volk kontrolliert werden sollten, dass sich dieses Volk zu der Thematik äußert, was ja nur möglich ist, wenn die Urteile veröffentlicht werden. Speziell beim Urheberrecht, rechtlich gesehen ein triviales Thema, gibt es Hunderttausende von Leuten, die mit dieser Thematik beruflich befasst sind und durchaus Richtern, Laien was die wirtschaftliche Dimension angeht, hier sehr effizient Nachhilfe bieten könnten. Aus ökonomischer Sicht ist die Produktion und Vermarktung von Inhalten kein triviales Thema und die Probleme der Content Anbieter sind kein juristisches Problem. Die Politik suggeriert, wir kommen darauf zurück, dass man die Urheber durch das Urheberrecht schützen könne. Das ist nicht der Fall, wie wir noch sehen werden. Der Autor redet hier nicht vertritt hier nicht eine rein theoretische Position. Der Autor vertritt die Position desjenigen, der mit solchen Fragen konkret, täglich, praktisch befassst ist.

Der Autor bietet selbst wirtschaftlich erfolgreich Content an (www.spanisch-lehrbuch.de etc.etc.). Die krass unterschiedliche Wahrnehmung von Experten / der breiten Öffentlichkeit und Richtern beruht darauf, dass erstere mit dem Thema praktisch vertraut sind und letztere keine Ahnung haben. Richter sollten vor allem Dingen mal lernfähig sein, anstatt sich, wie hier, an halb- bzw. gar nicht verstandenen Paragraphen festzukrallen, die sie nicht mal juristisch, geschweige denn ökonomisch einordnen können. Wir kommen darauf zurück, wenn wir die beiden Urteile, das vom Amtsgericht und das vom Landgericht 7.6 Landgericht ausführlich, Satz für Satz, analysieren.

Auch wenn mal es mal bei der richterlichen Unabhängigkeit belässt, wobei man auch hierüber diskutieren könnte, bei offensichtlich unfähigen Richter, die auch das materielle Recht nicht beherrschen, wie in diesem Fall, sollte auch die Suspendierung vom Dienst möglich sein, würde die konsequente Veröffentlichung von Urteilen, wobei die Parteien entscheiden können, ob die Namen geschwärzt werden, nicht aber die der Richter, ginge eher in die Richtung einer systemischen Lösung.

Wir fassen zusammen. Dieser eine Fall zeigt, auch wenn es nicht gerade das ist, was man eine empirische Untersuchung nennen könnte, dass wir mit Justitia ein paar Probleme haben. Es gibt Probleme mit der Kontrolle der Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des eingesetzten Personals; sie kann missbraucht werden; das Personal macht sich etwas falsche Vorstellungen von sich selbst und von der Welt im Allgemeinen. Aus didaktischen Gründen, andernfalls müsste sich der Leser durch einen Stapel Papier durcharbeiten, haben wir eine andere Art der Darstellung gewählt.

(Und wir empfehlen all jenen, die Urteile veröffentlichen, vorher mal auf Deutsch kurz zusammenzufassen, um was es geht. Wir haben viele veröffentlichten Urteile gefunden, wo die Art der Darstellung so ist, dass man sich länger damit beschäftigen muss, um überhaupt zu verstehen um was es geht. Die Leute, die Urteile veröffentlichen, was sehr, sehr sinnvoll ist, sollten sich mal an ihre Schulzeit erinnern, an den Erörterungsaufsatz. Man geht vom Allgemeinen aus und bricht es dann runter und springt nicht unvermittelt zu irgendwelchen Detailfragen. Das überfordert den Leser. Das gilt allgemein. Das Internet kann seine Funktion der kritischen Begleitung nur wahrnehmen, wenn sich alle ein bisschen um Didaktik bemühen.)

Der Inhalt und der Ablauf des Verfahrens wird durch Schreiben an das Amts- und Landgericht Hannover dargestellt, siehe unten. Das ganze Verfahren werden wir später noch mal umfassend darstellen. Die Detailanalyse macht die Angelegenheit nicht besser, es wird nur noch schlimmer.

Für den Gang der Überlegungen bis 7 reicht dieser grobe Überblick. Wer sich wirklich nur für das Urheberrecht interessiert, kann auch gleich zu zum Kapitel 7 springen. Das Kapitel ist ganz lehrreich und auch unterhaltsam. Letztlich ist aber nicht dieser Zusammenhang interessant, sondern die Frage, ob Justiz so, wie sie momentan organisiert ist, überhaupt funktionieren kann. Allerdings ist auch die Justiz nur ein Beispiel für Probleme, die dann auftreten, wenn aus irgendwelchen Gründen marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen nicht wirken können. Es geht dann um die Frage, durch welche anderen Steuerungsmechanismen die marktwirtschaftlichen Mechanismen ersetzt werden können. Ein Argumentation à la Hayek / Friedman, tip oder top, bringt und da nicht weiter. Wer will, hat an diesem Beispiel eine eigentlich lustig zu lesende Einführung in die allgemeine Volkswirtschaftslehre. Dem Autor ist bekannt, dass das Ansehen der Volkswirtschaftslehre durch die Ereignisse der letzten Jahre gelitten hat, um es mal höflich zu formulieren. Sollten dieses Verfahren und die Analyse des Verfahrens unter ökonomischen Gesichtspunkten geeignet sein zu zeigen, dass man sich besser von fundamentalen Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre besser nicht allzu weit entfernt, dann hatte dieses Verfahren einen Sinn.

Damit man einen Einstieg hat: Worum ging es in dem Verfahren? Wir haben, an einer sehr versteckten Stelle der www.divina-commedia.de ein Bild eingebaut, genau genommen hier, siehe http://www.divina-commedia.de/la_divina_commedia/paradies_012_la_divina_commedia.htm. Dann linke Spalte ganz unten.

Der Taumel Lolch, also das Gras ganz unten, ist das corpus delicti. Da sich diese Seite vorher noch nie ein Mensch angeschaut hatte, hat der Kläger die Seite wohl über einen Robot gefunden. Das Bild das jetzt drin ist, war für 0,00 Euro erhältlich, ähnliche Bilder gibt es dann bei fotolia und Konsorten, der Kläger wollte 320 Euro haben. Das Bild, das ursprünglich drin war, kann man sich auch über die google Bildersuche raussuchen, wenn man Taumel Lolch eingibt. Das, also dass das Bild bei google auftaucht, auf dem Smartphone sogar als Vollbild, stört den Kläger aber natürlich nicht. Der Prozess wurde dann über zwei Instanzen geführt, Amtsgericht und Landgericht. Schlussendlich bekam dann der Urheber 180 Euro und der Rechtsvertreter knapp 1200 Euro, Streitwert war schlussendlich 2000 Euro, auch wenn 13000 Euro angedroht wurden. Wir werden im weiteren Verlauf der Diskussion verschiedene Probleme immer wieder anhand dieses Beispiels illustrieren. Im Detail muss man es aber jetzt nicht verstehen. Es dient, auch wenn wir in Kapitel 7 die Schriftsätze des Gerichts detailliert analysieren, lediglich zur Illustrierung allgemeiner Zusammenhänge.

Was jetzt noch schwierig sein könnte und in der Zusammenfassung eine Rolle spielt:

Gesamtschuldnerische Haftung gibt es bei Unterlassungsschulden nicht. Gesamtschuldnerische Haftung heißt, dass A, B, C dem D z.B. 15000 Euro schulden. Der D kann jetzt von jedem 15000 Euro verlangen oder z.B. 3000 von A, 10000 von B und 2000 von C oder irgendwas in der Art. Unterlassungsschulden sind aber was anderes. Bei Unterlassungsschulden, nomen est omen, besteht die Schuld nicht darin, etwa zu leisten, sondern etwa zu unterlassen. Gesamtschuldnerisch geht dann nicht, weil bei gesamtschuldnerischer Haftung der eine, der die Gesamtverpflichtung erfüllt, die anderen von deren Verpflichtung befreit. Wenn also A die z.B. 15000 Euro bezahlt, sind B und C raus aus dem Spiel (bis auf mögliche Verpflichtungen im Innenverhältnis). Würde man das auf die Unterlassungsschulden übertragen, würde der eine der unterlässt, die anderen von ihren Verpflichtungen befreien. Das führt hier, das war das, was Frau Benz nicht einsehen konnte, zu einer merkwürdigen Konstellation. Es gab in diesem Verfahren zwei Beklagte, den Autor und die infos24 GmbH. Wären sie also gesamtschuldnerisch verurteilt worden, das war der Tenor des Urteils des Amtsgerichts, hätte es gereicht, dass der Autor das Bild nicht einbaut, die infos24 GmbH hätte es dann einbauen dürfen. Das hat zwar inhaltlich keinen interessiert, weil die Verhinderung der Veröffentlichung des Bildes nicht das Ziel war, sondern die 1000 Euro Honorar für den Rechtsanwalt des Klägers, aber es ist halt derartig rechtsfehlerhaft, zumal der Autor es ihr ein paar mal schriftlich mitgeteilt hat, man tut ja was man kann um Urheberrechtsverstöße zu verhindern, dass das Landgericht dann meinte, es fehle das "grundlegendste juristische Handwerkszeug". Das Urteil im Detail ist allerdings noch schlimmer. Sie, also Frau Benz, argumentiert mit § 32 UrhG, das hat sie von dem Rechtsanwalt des Klägers übernommen. Das Problem dabei ist, dass § 32 UrhG einen ganz anderen Sachverhalt regelt. Der regelt was zu tun ist, wenn ein Vertrag ABGESCHLOSSEN wurde, sich hinterher aber rausstellt, dass der Urheber grob übervorteilt worden ist. Das Gesetz schreibt vor, dass dann nach verhandelt werden muss. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Der Autor hatte keinen Vertrag mit dem Urheber und hätte einen solchen, da es das Bild an jeder Ecke im Internet gibt, auch nicht geschlossen. Zuständig ist also § 97 UrhG. Auch dies wurde Frau Benz ausführlichst schriftlich mitgeteilt, hat aber nicht geholfen.

Dann verwechselt sie noch Lichtbildwert mit Lichtbild etc.. Sie hat extreme Probleme mit dem materiellen Recht. Probleme mit dem materiellen Recht, also auf der Ebene very basic, hat auch das Landgericht, was umso schwerer wiegt, als da gleich drei Richter anwendbar waren. § 166 BGB ist z.B. dann nicht anwendbar, wenn der Vertreter (Andrés Ehmann) und der Vertretene (der Geschäftsführer der infos24 GmbH, also wieder Andrés Ehmann) ein und diesselbe Person ist. § 166 BGB regelt Fälle, bei denen der eine etwas weiß, was der andere nicht weiß, z.B. der Vertretene erteilt Auftrag an den Vertreter ein Auto zu verkaufen, weiß aber, im Gegensatz zum Vertreter, dass dieses Mängel hat. Bei Personalunion von Vetreter und Vetretener geht das natürlich nicht. Die natürliche Person Andrés Ehmann weiß immer, was der Geschäftsführer Andrés Ehmann weiß. Weiter gibt es noch Probleme mit § 31 BGB, das hat Herr Kleybolte, Richter am Landgericht, sozusagen als "Füllmaterial" in seinen Schriftsatz eingefügt, was ohnehin unnötig war, obendrein ist es aber auch falsch. Herr Kleybolte irrt auch in Bezug auf den Charakter der ausschließlichen Nutzungsrechte, § 31 UrhG. Er erkennt nicht, dass es zwei Sorten von ausschließlichen Nutzungsrechten gibt, mit dem Recht, einfache Nutzungsrechte zu veräußern und ohne. § 35 UrhG ist zu berücksichtigen. Beide, sowohl Frau Benz als auch Herr Kleybolte plagiieren ohne Quellenangabe, aus anderen Urteilen. Krass ist das bei Frau Benz, weil sie a) aus mehreren Urteilen plagiiert und b) sinnenstellend plagiiert. Details dieser Art gibt es ohne Ende, das muss man jetzt aber im Detail erstmal nicht verstehen. Wir gehen ausführlich in Kapitel 7 darauf ein.

Verheerend ist allerdings, die Art, wie Frau Benz, wobei die Plagiierung nicht mal das Problem ist. Das Problem ist, dass sie die Stellen aus einem Urteil plagiiert, die ihre Meinung stützen soll, übersieht aber, dass in dem Urteil letztlich das genaue Gegenteil von dem drin steht, was sie zusammenplagiiert hat. Verkürzt, sie ist für MfM Tarife.

MfM ist ein Interessensverband von Fotojournalisten und Bildagenturen. Die geben ein Buch mit „üblichen“ Bildhonoraren raus. Diese Tarife werden manchmal angesetzt, wenn es sonst keine Anhaltspunkte gibt, Vorrang hat aber die individuelle Situation. Bei Frau Benz ist ein abgeknipster Grashalm soviel Wert, wie ein tagespolitisch relevantes Bild, etwa von Florence Griffith-Joyner, Weltrekordhalterin der Frauen über 100 Meter, aufgenommen bei der Olympiade. Das muss man jetzt nicht verstehen, das ist einfach so.

Das Oberlandesgericht Braunschweig, das sie plagiiert, hat aber, ganz im Gegensatz zu dem was sie behauptet, die Anwendbarkeit der MfM Tarife verneint und aus 300 Euro (MfM – Tarif) 20 Euro gemacht. Das ist eigentlich der kapitalste Bock, den sie geschossen hat. Genau genommen hat sie den Bock gleich zweimal geschossen, denn sie plagiiert gleich zwei Urteile sinnentstellend. Auch das Landgericht Kassel, das zweit Urteil, das sie plagiiert, verneint die Anwendbarkeit der MfM-Tarife. Wir kommen darauf später ausführlich zurück.

Wir gehen mal davon aus, dass eine prinzipielle Veröffentlichung von Urteilen den Effekt hätte, dass mal ins Gesetz geschaut wird, was da tatsächlich steht. Der Rest ist dann selbsterklärend. Wer es ganz genau wissen will, es entbehrt ja auch nicht der Komik, der kann sich das gesamte Urteil durchlesen.

Die wesentliche Punkte ergeben sich aus unseren Schreiben an das Amtsgericht bzw. Landgericht. Dieses Hintergrundwissen reicht erstmal, um dem Text zu folgen. Das Urheberrecht selbst ist eine simple Kiste. Dass selbst bei dieser simplen Kiste derartige Probleme mit den Trivia des materiellen Rechts auftreten, ist ein erwähnenswerter Zusammenhang. Gezeigt werden soll aber letztlich nur, dass auch diese Minimalstandards nicht eingehalten werden, wenn das System keinerlei Kontrolle unterliegt. Der Autor geht also davon aus, dass man dem Text problemlos folgen kann.

Um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen ist die Lektüre des Briefverkehrs mit den jeweiligen Gerichten, Amtsgericht, Landgericht sinnvoll. Im Rahmen dieser Studie, die eher auf sytemisch / wirtschaftliche Zusammenhänge abstellt, ist eine Detailkenntnis des Vorgangs nicht nötig. Wir kommen hierauf erst unter Punkt sieben zurück.
Der Vorfall an sich dient ledigich der Illustrierung eines systemischen Problems. Der Briefverkehr diente dazu, den Sachverhalt knapp darzustellen. Das Landgericht hat nicht geantwortet. De facto gab es wohl auch nicht viel, was man hätte antworten können.

 


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