7. Detaillierte Darstellung des Verfahrens

Das Verfahren ist nach Meinung des Autors geeignet, bestimmte Zusammenhänge zu illustrieren. Naheliegenderweise hätte man das auch alles eine oder zwei Abstraktionsebenen weiter oben ansiedeln können. Das wäre aber wenigt anschaulich gewesen. Zwar ist es richtig, dass systemische Zusammenhänge in der Regel ohne Beispiele argumentieren, Wirtschaftswissenschaftler sind Weltmeister in dieser Art der Argumentation, doch darin besteht eben ihr Defizit. Diese Art von Text überlässt es dann dem Leser, sich die passenden Beispiele auszudenken. Der Autor ist sich hier aber nicht so richtig sicher, ob das tatsächlich immer mühelos gelingt.

Hinzu kommt aber folgendes. Marktwirtschaftliche Ordnungen tendieren dazu, persönliche, also von konkreten Menschen erbrachte Leistungen zu bewerten und Minderleistung gegebenenfalls zu sanktionieren. Die öffentliche Meinung geht davon aus, dass dies, zumindest bis zu einem gewissen Grade, sinnvoll ist und objektiv ist es wohl so, dass wir auf diesen Selektionsmechanismus nicht verzichten können. Marktwirtschaftliche Ordnungen leisten diese Selektion durch eine konkrete Sanktionierung über Preise. Wer z.B. bereit und in der Lage ist sich beruflich umzuorientieren, wenn sich die Struktur der Wirtschaft ändert, kann von diesen Änderungen profitieren. Die Selektionsmechanismen des Marktes sind hier sehr hart und sehr konkret.

Wenn wir nun davon ausgehen müssen, dass irgendwelche Kontroll- und Selektionsmechanismen auch bei der Richterschaft brauchen, dann ist natürlich die Frage, welche das sein können. Ein Ansatz wäre es hierbei, sporadisch die Produkte von Richtern, also Urteile zu analysieren und alle zu veröffentlichen. Das wäre noch nicht so ein knallharter Mechanismus wie die Selektion über den Markt, aber eine gewisse Kontrolle, bzw. ein Feedback, würde erreicht. Man könnte dann argumentieren, dass die Analyse des Urteils ohne Nennung des Namens ausreicht um eine Lenkungsfunktion zu entwickeln. Wer das behauptet, müsste aber konkret darlegen, wie er sich das vorstellt. Es müsste also ein Gremium innerhalb der Richterschaft oder der Politik geben, dass aus den im Detail analysierten Urteilen konkrete Maßnahmen ableitet. Das wird nicht geschehen. Diese Möglichkeit gab es schon immer, wurde aber nicht verfolgt.

Vor allem bei Zivilprozessen, wo die Parteien ja den Prozess bezahlen und sogar noch andere, nicht kostendeckenden Verfahren quersubventionieren, haben die Parteien aber ein Recht darauf, das ist nun mal so in einer marktwirtschaftlichen Ordnung, sich über die Leistungsfähigkeit des Anbieters zu informieren. Das setzt voraus, dass ein Zusammenhang zwischen Anbieter und Qualität konkret hergestellt werden kann.

Der Einwand, der hier gemacht werden kann, ist so naheliegend wie falsch. Eine Partei wird in einem Verfahren ganz oder teilweise unterliegen, den Richter also im Zweifelsfalle negativ bewerten. Das ist für den Richter aber nur dann relevant, wenn die von ihm vertretene Meinung auf eine breite Ablehnung in der Öffentlichkeit stößt, er also eine Meinung vertritt, die von der breiten Öffentlichkeit abgelehnt wird, wobei es allerdings genau dann problematisch wird. Jutta Limbach, siehe 6.1 Unabhängigkeit der Richter diskutiert dieses Thema, der Autor will das dort Gesagte nicht wiederholen. Dass einzelne Richter den Einzelnen gegen Unrecht verteidigen ist denkbar, auch wenn die Erfahrung mit den letzten zwei deutschen Diktaturen das Gegenteil lehrt. Richter und Juristen haben das Unrecht in Gesetze gegossen. Wir haben aber bereits in dem betreffenden Kapitel geschrieben, dass Jutta Limbach die Sicht einer Verfassungsrichterin vertritt, die mit solchen Fragen konfrontiert ist. Das ist aber nicht der Alltag. Eine Rechtssprechung, die von der breiten Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar ist, die diese schlicht für verrückt hält, schafft keinen Rechtsfrieden und keine Rechtssicherheit. Das Gegenteil ist der Fall und der Autor würde auch sagen, dass die Anonymität der Richter bestimmten Tendenzen Vorschub leisten. Es ist relativ leicht, sich hinter einer ebenfalls anonymen "Rechtssprechung" zu verstecken und jede persönliche Verantwortung von sich zu weisen. Das ist in einer marktwirtschaftlichen Ordnung weder üblich, noch ist es günstig. Der Unternehmer in einer marktwirtschaftichen Ordnung ist der Kritik der Öffentlichkeit ausgesetzt, die auch soweit gehen kann, dass er ökonomisch vernichtet wird. Die infos24 GmbH muss hinnehmen, dass alle möglichen Leute reichlich unqualifiziert, findet der Autor, zu deren Sprachportalen Stellung nehmen. Das ist aber nicht mal der entscheidende Punkt. Der entscheidende Punkt ist, dass ein Richter, der persönlich nicht zu seinen Urteilen steht, diese besser nicht fällen sollte. Ist er davon überzeugt, das Richtige zu tun, dann wird er mit der öffentlichen Kritik klar kommen. Im Normalfall wird die Öffentlichkeit auch seine Ansichten teilen, denn andernfalls wäre der Rechtsfrieden tatsächlich bedroht. Teilt er sie nicht und irrt die öffentliche Meinung, dann sollte er seine Meinung offensiv vertreten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die öffentliche Meinung ein solche Verhalten sogar honorieren würde, auch wenn sie Meinung selbst nicht teilt.

Er kann allerdings darauf bestehen, dass die Sachzusammenhänge korrekt geschildert werden. Er kann allerdings nicht darauf bestehen, anonym zu bleiben, da dann die richterliche Unabhängigkeit kein einziges Gegengewicht mehr hat. Minderleister in der Richterschaft sind dann im Vergleich Arbeitnehmern in einer marktwirtschaftlichen Ordnung immer noch in einer sehr günstigen Position, die unmittelbare ökonomische Vernichtung droht einem Minderleister in der Richterschaft nicht. Es kann aber eine Lenkungsfunktion dahingehend ausgeübt werden, dass er sein Verhalten überdenkt.

Das Verfahren zeigt einige grundlegende Mängel der Rechtssprechung. Wer "rein aus dem Bauch heraus" hier auf noch grundlegendere Mängel schließen will, die sich auf einer "höheren Ebene" abspielen, der mag das tun, der Autor tut es nicht. Zum einen, weil wir mit so existentiellen Fragen nicht konfrontiert sind und nie mehr konfrontiert werden, zum anderen weil Prozesse irreversibel eingeleitet sind, z.B. und unter anderem die europäische Einigung, die selbst das Bewusstsein der aller unphilosophischsten Zeitgenossen prägt und die obendrein ökonomisch relevant sind, das heißt mit Macht ausgestattet sind.

Da aber heute der 12. Juni 2013 ist und Gustl Mollath gestern Gelegenheit hatte, vor dem Untersuchungssauschuss im im bayrischen Landtag auszusagen, kann man feststellen, dass Justitia immer mal wieder auch eine höchst reale Gefahr darstellen kann, wenn sie von der Öffentlichkeit nicht kontrolliert wird. So deutlich wie der deutsche Richterbund formuliert, der eine "angemessene" Besoldung der Richter für die Grundlage des Rechtstaates hält, würde der Autor nicht formulieren. Der Autor hält den wohlinformierten Bürger, der Argumente abwägt, für die Grundlage des Rechtsstaats, näheres hierzu unter.

Wenn der verschwindet, brauchen wir uns über Justitia auch keine Gedanken mehr machen. Und dieser Bürger muss die Leistung einzelner Richter auch bewerten können, denn er bezahlt sie. Und der Fall Mollath zeigt eben, dass das mit der vollkommenen Unabhängigkeit von Jusitia so eine Sache ist. In diesem konkreten Fall sollte sie mal ganz straff von der Exekutive an die Kandare genommen und auf den Pfad der Tugend zurückgeführt werden. Es ist nämlich immer noch die Exekutive und die Legislative, die demokratisch legitimiert sind. Die Judikative ist dies nicht.

Der langen Rede kurzer Sinn. Der Richter, der ein Problem damit hat, dass seine Schriftsätze mit seinem Namen im Internet veröffentlicht werden und seine Leistung individuell bewertet wird, sollte vielleicht über seine Schriftsätze und sein Verhalten nochmal nachdenken.

Die Gefahr, dass abstruse Gesetze und eine abstruse Rechtssprechung alle möglichen gesamtwirtschaftlich wenig sinnvolle Geschäftsmodelle ermöglichen, existiert aber weiterhin. Das Urheberrecht hat es hier lediglich aufgrund seiner Breitenwirkung auf die Hitliste geschafft. Es gab auch durchaus schon kleinere Abmahnwellen, etwa die Unterscheidung gewerblich / nicht gewerblich bei ebay, "fehlerhaftes" Impressum, lex google, Angaben zur Datenspeicherung, die Abmahnanwälten eine Spielwiese eröffneten.. Rentabel sind natürlich auch Verstöße gegen § 325 HGB etc... Die ersten Abmahnungen gibt es natürlich auch schon wegen dem Bestellbutton (§ 312g Abs. 2 BGB).

Jutta Limbach sieht das Problem, dass Gesetzestexte einen gewissen Interpretationsspielraum lassen. Sie sieht hier Chancen und Risiken. Chancen, weil die Rechtssprechung hierdurch auf neue gesellschaftliche Phänomene reagieren kann und Risiken, weil dieser Spielraum eben auch willkürlich ausgelegt werden kann. Sie versucht ihre Kollegen für diesen Tatbestand zu sensibilisieren und mahnt einen verantwortungsvollem Umgang mit Gesetzen an. Das ist ein hoffnungsloses Unterfangen.

Wenn Rechtsanwälte, in diesem konkreten Fall Eugen Klein von ActiveLaw, während der Verhandlung betonen, dass die Auslegung von Gesetzen allein auf der subjektiven Bewertung des Richters beruht und dieser Ansicht von der Richterin, in diesem Fall Frau Benz, nicht widersprochen wird, dann gerät das System doch sehr leicht ins "Rutschen". Wenn des weiteren, wie die Anwaltskanzlei ActiveLaw dies tut, mit dem weiten Interpretationsspielraum von Gesetzen geworben wird, Recht ist, was man draus macht, und dieser Tatbestand von einem Richter, wie in diesem Fall, als Lappalie angesehen wird, dann ist klar, dass Richter, in diesem Fall Frau Benz, sich nicht bewusst sind, wohin diese Reise geht. Wenn des weiteren ein Richter, in diesem Fall Herr Kleybolte, eines Landgerichtes betont, dass die Anwendbarkeit bzw. nicht Anwendbarkeit von Gesetzen, in diesem Fall der § 51 UrhG allein auf der subjektiven Einschätzung des Richters beruhe, dann ist klar, dass das Problem nicht mal reflektiert wurde.

Es sind aber nicht nur die konkreten Erfahrungen mit diesem Verfahren, die den Autor daran zweifeln lassen, dass die Vorgehensweise von Jutta Limbach, der Appell an das Gewissen, zielführend ist. Er glaubt daran auch nicht, weil es noch nie ein Wirtschaftssystem gab, das über einen Appell an das „Gewissen“ gesteuert wurde. Wirtschaftswissenschaftler argumentieren systemisch, was anders kommt ihnen nicht mal in den Sinn. Für jeden Wirtschaftswissenschaftler ist klar, dass ein System wie die Rechtssprechung, dass lediglich auf die Integrität der handelnden Akteure hofft, aus dem Ruder läuft. Würde so ein System funktionieren, wäre ein Wirtschaftswissenschaftler tief erschüttert und er würde jeden Glauben an die Menschheit verlieren. Es ist völlig klar, dass dieses System Eigeninteressen entwickelt, die durch entsprechende Kontrollmechanismen zu bändigen sind. Das ist der Prozess, der aktuell, durch die Implementierung von Controllinginstrumenten in der Justiz, eingeleitet wird. Diese systemisch wirkenden Maßnahmen sind durch qualitative Maßnahmen zu flankieren.

Wie schon eingangs gesagt, lassen sich aus einen einzigen Verfahren keine Rückschlüsse ziehen, aber naheliegenderweise kann ein einziger Fehler, so er denn gravierend ist, auf ein grundsätzliches systemisches Problem verweisen. Ein schief angeklebtes Etikett auf einer Saftflasche sagt nichts über die Produktion. Finden sich aber in einer Flasche Apfelsaft Benzinrückstände, dann stellt sich schon die Frage, wie diese da rein gekommen sind.

Etwas in der Schieflage ist die Situation allein schon deshalb, weil die "Qualität" der Rechtsberatung bzw. der Rechtssprechung zwar die Höhe der Besoldung bzw. des Honorars rechtfertigen soll, auf der anderen Seite aber keinerlei Anstrengungen unternommen werden, diese auch tatsächlich empirisch belastbar darzustellen. Wie viele Fehler selbst in einfachsten Verfahren gemacht werden, auf allen Ebenen, materielles Recht, Wiedergabe von Urteilen, Darstellung von Sachverhalten, sprachlich, logisch etc. etc. hat diese beispielhafte Analyse gezeigt und das war auch zu erwarten.

Es wurde mit Rechtskonstrukten gearbeitet, die es schlicht überhaupt nicht gibt, gesamtschuldnerische Haftung bei UNTERLASSUNGSSCHULDEN und Paragraphen auf eine Situation angewendet, die auf diese Situation gar nicht passen, § 32 UrhG, § 166 BGB, § 133 BGB, § 2 Abs. 1 Ziffer 4 UrhG, es wurde auf eine Art aus Urteilen zitiert, die Kernaussage des Urteils in das exakte Gegenteil verkehrt, mehrere Mal im Übrigen und systematisch, wir haben Fehler in der Darstellung der Fakten gesehen, 36 Euro für die CD anstatt 26, aus kostenlos wurde kostenpflichtig, es gibt „Houster“, die wissen, was Ihre Kunden auf ihren accounts treiben etc. etc..

Bescheinigt dann noch ein Richter eines Landgerichts, in diesem Fall Herr Kleybolte, dem Richter eines Amtsgerichts, in diesem Fall Frau Benz, nicht mal über grundlegendste juristische Kenntnisse zu verfügen, dann zeigt sich, dass es sinnvoll wäre, wenn der deutsche Richterbund seine pauschale Aussage, dass die deutsche Rechtsprechung hohen qualitativen Standards genügt, empirisch belegen müsste. Allerdings kann man sich natürlich auch fragen, ob man mit Steinen werfen sollte, wenn man im Glashaus sitzt.

 


update
Vorwort
Ausgangspunkt


Das Urheberrecht aus
oekonomischer Sicht


Abmahn und Gegenabmahnindustrie


Rahmenbedingungen
der Rechtsanwaelte
Diskussion
der Problematik ausserhalb systemischer Zusammenhaenge


Detaillierte Darstellung des Verfahrens
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